Interview
Interview mit Nikolaus Geyrhalter (Regie/ Kamera) und Wolfgang Widerhofer (Schnitt/ Dramaturgie)
Die Rallye Paris-Dakar ist der Ausgangspunkt eures sechsten gemeinsamen Dokumentarfilms. Was hat euch an dem Rennen ursprünglich interessiert?
Geyrhalter: Das Rennen selbst hat uns eigentlich nie wirklich interessiert. Wir wollten von Anfang an einen Blick hinter die medial produzierte
Fassade werfen.
Dabei war klar, dass das allein nicht Inhalt des Films sein kann: Es sollten sich der reine Nachhall des Rennens und das Europa-Afrika-Verhältnis
überkreuzen, mit der Rallye als rotem Faden, der Beliebigkeit verhindert.
Wie habt ihr euch diesem roten Faden genähert? Wie habt ihr recherchiert?
Geyrhalter: Drei Jahre vor Drehbeginn haben wir eine praktische Recherchefahrt entlang der Rallyestrecke bis nach Südmarokko unternommen.
Wir wollten klären, ob es für uns überhaupt möglich ist, diese Strecke nachzufahren. Dazu haben wir uns von der Rallye-Organisation
ein Roadbook schicken lassen. Das sind Streckenbücher, die den Streckenverlauf durch runenartige Symbole darstellen. Nur mit
diesem Roadbook klarzukommen, ist für die Rallyeteams Teil des Rennens. Für uns war es vor allem mühsam. Aber wir mussten
schließlich ausprobieren, ob die Strecken für Laien wie uns überhaupt befahrbar sind und ob wir sie auch finden würden.
Während des eigentlichen Drehs seid ihr dann tatsächlich zum ersten Mal die Gesamtstrecke gefahren?
Geyrhalter: Ja. Wir haben im Jänner 2007 mit den Rennteams auf einer gecharterten Fähre nach Marokko übergesetzt. In Marokko selbst haben
wir die Rallye dann plangemäß aus den Augen verloren. Die Teilnehmer fahren die Gesamtstrecke in 14 Tagen, wir haben uns dafür
vier Monate Zeit gelassen.
Wir haben dort gleich gedreht, wobei wir weder die Strecke gekannt noch in den Orten vorher gecastet haben. Wir mussten uns
weit gehend dem Zufall überlassen.
Wie sah die Logistik vor Ort aus ? wie transportiert man ein Filmteam und die Drehausrüstung durch die Wüste?
Geyrhalter: Wir hatten zwei Geländewagen und einen alten Bundesheer-LKW. Der LKW hat die Lebensmittel und das Campingequipment transportiert
und ist während wir gedreht haben bereits auf dem Weg zu unserem nächsten Camp gewesen. Der Fahrer dieses LKWs war auch unser
Berater in vielen technischen Angelegenheiten und gleichzeitig unser Koch, Camp-Chef und Mechaniker. Auf dem LKW gab es auch
einen Arbeitsraum, in dem wir abends dann das Material des Tages überspielt und übersetzt haben.
Mit den Dolmetschern und Aufnahmeleitern vor Ort waren wir an die dreizehn Leute.
Das Rennen 2008 ist wegen Terrordrohungen abgesagt worden. Habt ihr in der Sahara Schutz gebraucht?
Geyrhalter: Nie. Wir hatten immer Mitarbeiter aus den jeweiligen Ländern, die uns genau informiert haben. Natürlich wären wir angreifbar
gewesen - wir haben ja immer direkt an der Strecke gecampt. Es ist aber nie was passiert. Dafür sind wir kurz vor Drehbeginn
in Wien ausgeraubt worden (lacht).
Die Rallye Paris-Dakar, oder im Fall des Jahres 2007, Lissabon-Dakar, ist ja ein traditionell von weißen, männlichen Fahrern dominiertes Event. Wie bist du mit dem Paradox umgegangen, einerseits eine kritische Haltung zu vertreten, die Strecke aber andererseits selbst als weißer Mann mit großem Fuhrpark abzufahren?
Geyrhalter: Natürlich war mir der Widerspruch bewusst. Darum war es mir wichtig, dass wir nicht als nur weißes Team unterwegs sind: Mein
Regieassistent und unsere Aufnahmeleiterin haben Wurzeln in Afrika, dazu kamen vor Ort lokale Line Producer und Dolmetscherinnen
und Dolmetscher.
War es schwierig, weibliche Gesprächspartnerinnen zu finden?
Geyrhalter: Das hing von den Ländern ab. In Marokko hatte unser Line-Producer eine Praktikantin mit, die wir dann gebeten haben, manche
Interviews zu führen. Das hat sehr geholfen.